Page 14 - Projektmanagement? - Unternehmensberatung!
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Kapitel 3
Die nächsten Tage zogen sich zäh dahin. Eine den Beratern zugewiesene Assistentin, koordinierte
Workshops und Gesprächstermine. Das alles aber interessierte Lisa wenig. Sie
war nun schon seit drei Wochen im Unternehmen und bislang war sie sehr zufrie-
den. Der in der Stellenanzeige versprochene Supporter, oder "Pate für alle neuen
Kollegen, zur Begleitung und Unterstützung der Einarbeitung für das ganze erste
Jahr", wie sie es hier in der Firma nannten, erschien auch schon an ihrem ersten
Arbeitstag. Lisa war erstaunt, dass es sich um einen älteren Herrn handelte, der
zudem auch noch in einem Rollstuhl erschien. Er stellte sich kurz als "Roland" vor
und bat gleich in der ersten Stunde das Du an. Lisa war angenehm überrascht und willigte natürlich
sofort ein.
Roland gab nun gleich ein erstes Statement ab, indem er erklärte: "Nur
wenn Sie, äh, Du, dich hier wohlfühlst, dann kann der Job auch was wer-
den!". Dann lächelte er und fragte, ob sie was dagegen hätte, wenn er
mit ihr in die Cafeteria gehen würde. Das Lächeln wurde mit einem um
so größeres Lächeln erwidert und Lisa sagte, "Aber nur wenn ich Sie, äh,
ich Dich, einladen darf." Somit war das erste Eis schon gebrochen. Lisa
bot an, den Rollstuhl zu schieben, aber auch hier lächelte Roland nur
und sagte mit einem leichten Kopfschütteln, "Naa (Oberbayerisch für
Nein), vielen Dank, aber das ist jetzt mein täglich Brot, an das Ding hier
hab' ich mich jetzt schon gut gewöhnt." Auf dem Weg zur Cafeteria wurden natürlich einige Kollegen
getroffen, mit allen wechselte Roland ein paar freundliche Worte und man fühlte auch die gute zwang-
lose Stimmung, die dabei herrschte. Endlich am Ziel angelangt, ging Roland zum Kaffeeautomaten,
hielt seine Karte ran, grinste, und sagte dann "Ausgetrickst, - der erste Kaffee geht auf meine Kosten."
Es war Nachmittag, kurz vor 15 Uhr, und niemand sonst war in der Kantine. Der Kaffee war ein Cap-
puccino mit viel Milch und schmeckte, für das, das er aus einem Automaten war, sehr gut. Beide fühl-
ten nicht den Zwang zum Reden, aber Roland begann dann über sich selbst zu erzählen.
"Falls Du dich wunderst, dass da heute ein alter Kerl erscheint, ich bin 58 Jahre alt, bin verheiratet. Wir
haben aber keine Kinder. Aber egal. Als ich jung war, hab' ich mal BWL studiert. Ich war sogar für ein
paar Semester drüben in den Staaten, an der Ostküste. Alles lief wunderbar, ich war damals sehr am-
bitioniert. Betriebswirtschaftslehre, also BWL, hat mich fasziniert, da ich einfach die Zusammenhänge
der betrieblichen Abläufe in den Unternehmen verstehen wollte. Die Semester in Boston haben auch
mein Englisch sehr gefördert; heute lese ich einen englischen Roman schneller als einen deutschen".
Dabei lachte er. "Und wie sieht's bei Dir aus?"
"BWL hab' ich nicht studiert, dafür war ich nicht gescheit genug."
"Nah, nah!" (Oberbayerisch für Aber-Aber), sagte da nur Roland drauf.
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© Hans Porzel, 4/2025 | CAPM® (PMI), PSM I® (Scrum.org), Smartsheet Prod. Cert® 2020

